Mittwoch, 8. April 2015

Die Maschine lebt! Teil 1

Anlässlich der Veröffentlichung des Liedes "Ein Experiment" auf dem neuen coppelianischen Tonträger "Hertzmaschine" möchte ich Ihnen die ganze Geschichte erzählen. Ich bin mit meinem Freund Sinus di Tempore, der im Liedtext lediglich als "die Maschine" bezeichnet wird, an den Ort des Geschehens gereist um zu rekonstruieren, was damals geschah. Der Professor hat mir einige Informationen zugespielt, sodass die Geschichte nun vollständig erzählt werden kann. Auf die Frage hin, wie man darauf käme, eine solche Maschine überhaupt zu bauen, empfahl er mir eine gute Flasche Wein, den die Muse seiner Meinung nach besonders zu schätzen weiß. Es muss schon ein sehr guter Jahrgang gewesen sein, wenn er sogar in Holzkunst verewigt wurde.


So lassen Sie mich nun ohne weitere Umschweife die Geschichte erzählen, werthe Leser. Sie beginnt dort, wo das Lied endet, mit einem Knall:


Im letzten Moment gelang es dem Professor und seinem Assistenten hinter den großen Schreibtisch zu springen, der ihnen schon so oft das Leben bewahrt hatte.

Der Professor spürte, wie die Hitze der Explosion über seinen Kopf hinweg fegte. Der Schreibtisch bot leider keinen vollständigen Schutz; zahlreiche Explosionen hatten dafür gesorgt, dass das Haupthaar des Professors immer wieder verbrannte. Als er sich schon an seinen Anblick gewöhnt hatte, bemerkte er eines Morgens, dass sein Haar im Begriff war nachzuwachsen. Er hatte es vor Schreck abrasiert - seitdem wuchs es nicht mehr.

Als es wieder still war im Labor, lugten er und sein Assistent vorsichtig über die Tischkante. Staub fiel zu Boden, ansonsten blieb es ruhig. Was für ein Chaos, was für ein Rückschlag! Es würde Wochen dauern, alles neu zu beschaffen, aufzubauen und das Labor wieder herzurichten. Plötzlich erhob sich eine maschinenhafte Gestalt aus einem Trümmerhaufen. Der Professor sprang vor Schreck einen halben Meter hoch und rief: „ES LEBT!!!“
„Es flüchtet!“, schrie dagegen der Assistent.

Und er hatte Recht. Im Inneren der Gestalt liefen die galvanischen Apparaturen heiß, das Uhrwerk raste. Die Maschine setzte sich in Bewegung. Die überschüssige Energie in ihren Eingeweiden musste umgesetzt werden, sonst würde sie explodieren. Also lief sie. Sie lief geradewegs gegen eine Wand, riss sie ein und lief über die Anlagen des Herrenhauses in den nahe gelegenen Wald. Der Professor wollte schon hinterherlaufen, doch er musste schnell einsehen, dass er mit der Geschwindigkeit der Maschine nicht mithalten konnte. Sie würde später mit anderen Hilfsmitteln eingefangen werden müssen.


Der Wald war genauso unheimlich, wie ich es in Erinnerung hatte. Der viele Schnee, der während der letzten Tage gefallen war, warf im Dunkeln groteske Schatten, welche die Bäume wie albtraumhafte Kreaturen aussehen ließen – selbst das Unterholz schien mir nicht freundlich gesinnt. Zudem war es im Wald unheimlich still. Es sind nur Schatten, Licht und Schnee, beruhigte ich mich selbst, atmete tief durch und schritt weiter den Weg entlang. Gerade als ich mich entspannte, ertönte aus der Ferne ein Geräusch, als bahnte sich etwas sehr Starkes einen Weg durch den Wald - und es kam in meine Richtung!

Ich beschloss zu rennen. Was sollte ich sonst tun? Plötzlich ertönte ein lautes Krachen. Mit einem Hechtsprung warf ich mich nach vorn und rollte ab, da ich andernfalls unter einem umstürzenden Baum begraben worden wäre. Als ich meine Hand nach hinten ausstreckte, merkte ich, dass der Baum nur wenige Zentimeter hinter mir eingeschlagen war. Das war knapp!

Völlig außer Atem blieb ich sitzen und lauschte. Der Wald war ruhig bis auf ein sehr merkwürdiges, leiser werdendes Geräusch, das ich so bisher noch nie vernommen hatte. Man sollte sich selbst nicht als Abenteurer bezeichnen, wenn man in einer solchen Situation einfach davonrennt, erklärte ich mir selbst. Ich nahm meinen Mut zusammen und beschloss nachzusehen.


Ich seufzte und schlich vorsichtig den waagerecht liegenden Baumstamm entlang. Er war vollständig entwurzelt. Am Fuße des Wurzelballens, der nun senkrecht in die Höhe stand, saß eine Maschine und starrte leblos vor sich hin. Ich erkannte in ihr die Kreatur, die ich aus dem Labor hatte flüchten sehen und erstarrte. Offensichtlich war sie blindlings durch den Wald gehastet und schließlich gegen diesen Baum geprallt. Bis auf die Nieten und Stahlplatten in seinem Antlitz war das Geschöpf einem Menschen zum Verwechseln ähnlich. Vermutlich wurde sie auf mechanischem Wege betrieben, denn ich konnte die galvanischen Motoren sirren hören. Nach kurzem Zögern sprach ich zu ihr: "Sind Sie verletzt?"

Fortsetzung folgt.

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