Donnerstag, 9. April 2015

Die Maschine lebt! - Teil 2

Der Kopf der Maschine ruckte in meine Richtung, sie starrte mich einige Sekunden scheinbar verwirrt an, was mich verwunderte. Konnte eine Maschine verwirrt sein? Dann erwiderte sie: "Meine Systeme sind intakt."
Die Antwort wiederum irritierte mich ein wenig. Was nun? "Sie waren wohl zu schnell um dem Baum auszuweichen?" fragte ich, während meine Gedanken rasten.
"Ein plötzlicher Energieschub zwang mich zum Handeln. Ich musste die Energie verbrauchen, sonst wäre ich detoniert.", erklärte die Maschine. "Dann kam die Explosion nicht von Ihnen?"
Überrascht schaute mich die menschlich wirkende Maschine an. Die Emotionen, die sie zeigte, ließen mich erkennen, dass ich es mit einem Wesen zu tun hatte, welches über einen eigenen Willen verfügte. "Nein!", rief sie aus und schüttelte sich ein wenig. "Das Labor! Der Professor baute mich dort, damit ich ihm zu Welthenruhm verhelfe. Seine neuesten Tüfteleien allerdings ließen zu wünschen übrig, wissen Sie... Immer wieder wollte er meine Leistung steigern - so auch vorhin, als er mit diesem explosiven Element herumhantierte. Das alles ist nur geschehen, weil er mich achtlos in der Nähe des galvanischen Bades gelassen hat!" Eine Salve lauter, tickender Geräusche ertönte aus der linken Schulter der Menschmaschine. "Es hat bereits viele Explosionen gegeben. Der Professor sagte stets, sie würden seinen Glauben nicht erschüttern... Nun, und dann kam der heutige Tag. Diese Detonation war heftig - sie ist in meine Schaltkreise gelangt und hat mein System auf diese Weise zur Überlastung gebracht!"


Ich tat, als hätte ich jedes Wort verstanden und hatte doch keinen Schimmer, wovon sie sprach. Als ich vorschlug, die Maschine zurück zum Labor zu begleiten, sprang sie mit einem Satz auf die Füße. "Nein! Ich gehe nicht dorthin zurück! Sehen Sie doch, was der Professor mir angetan hat!"
Ich betrachtete sie, verstand aber nicht, was sie meinte.
"Ein CELLO! Mein Körper besteht aus einem CELLO! Welche Maschine, die etwas auf sich hält, besteht denn aus einem CELLO?!"
"Ähm...", druckste ich herum.
"Keine!!", fiel sie mir ins Wort, und ihre Stimme überschlug sich. "Ich habe im World Wide Web nachgeforscht und es gibt nicht eine humanoide Maschine, die aus einem Cello gebaut wurde!"


Mir wurde mulmig bei diesem Gefühlsausbruch, denn ich beobachtete, wie kleine Flammen aus ihrem Inneren leckten. Ich erklärte der Maschine, dass Einzigartigkeit etwas sei, das von Menschen sehr geschätzt werde. Sie hielt dagegen, dass sie eine Maschine sei; wenn Maschinen gut seien, würden sie vervielfältigt - und ein Cello als Körper spräche nicht gerade für erste Güte. Auch wenn ich sie nicht vom Konzept der Einzigartigkeit überzeugen konnte, merkte ich doch, dass die sich windenden Zahnräder im Inneren langsamer wurden; sie schien sich zu beruhigen.

Also nicht zurück zum Professor. Etwas unschlüssig erklärte ich, dass ich mich nun wieder auf den Weg machen wolle und stapfte zurück zum Pfad. Nach kurzem Zögern folgte mir die Maschine. Was wurde nun aus ihr? War sie gefährlich? Wollte Sie selbst Welthenruhm ernten, oder war dies nur der Wunsch des Professors? War ich in der Lage, sie gegen ihren Willen zurück zum Labor zu bringen?
Ein Blick auf den Baum genügte. Nein, das würde mir nicht gelingen. Wäre es überhaupt von Vorteil, wenn der Professor sie zurück bekäme? Immerhin schienen seine Beweggründe für den Bau der Maschine mehr als zweifelhaft.


Ich schreckte aus meinen Gedanken hoch. Waren die mechanischen Geräusche, die von der Maschine ausgingen, wieder lauter geworden? Ich drehte mich zu ihr um und sah, wie sie mit einer einzigen Bewegung den Schnee vom Boden aufsaugte und gen Himmel blies. "Warum hast du das getan?", fragte ich erstaunt.
"Auf diese Weise kann ich gleichzeitig meine Systeme kühlen und überschüssige Energie abbauen. Zumindest so lange noch Schnee liegt.", erklärte die Maschine und sah in den Himmel.

Ich tat es ihr gleich und beobachtete gebannt, wie der Schnee langsam wieder zu Boden fiel, um sich erneut wie eine Decke über den Waldboden zu legen. Die Maschine hatte den Schnee so gekonnt nach oben katapultiert, dass er nicht wie ein Klumpen nach unten fiel, sondern in schönen einzelnen Flocken zu Boden schwebte. Hätte ich nicht mit eigenen Augen gesehen, woher der Schneefall kam, hätte ich geglaubt, es würde schneien.


Einer plötzlichen Eingebung folgend fragte ich die Maschine, ob sie sich mir anschließen wolle. Ich erzählte ihr von den Wolkenkraken, die ich erforschte, von deren Vorliebe für Seifenblasen, von der Blubber Brigade und von der Konfetti Kompanie, der ich angehöre.

Eine Maschine mit solchen Fähigkeiten wäre in der Konfetti Kompanie überaus willkommen. Das Licht in den Augen der Maschine wurde dunkler, sie starrte geradeaus und antwortete nicht. Als ich mich schon fragte, ob ihre Energie vielleicht zur Neige ging, erwachten die Augen wieder. Sie fixierte mich und sprach: "Ich habe nachgeforscht. Die Konfetti Kompanie verfolgt eine wichtige Aufgabe. Mir war nicht bewusst, dass ich meine Fähigkeiten auch zum Schutz des Menschen einsetzen kann. Ich werde mich dir gern anschließen, allein schon um nicht zu tun, wofür ich erbaut wurde." Ein böses Lächeln zeichnete sich auf ihrem humanoiden Gesicht ab.

Tja, ob ich die Beweggründe für seine Entscheidung SO genau wissen wollte, dessen war ich mir nicht sicher, doch nun gut. Dann blieb nur noch eins zu klären: "Wie nennt man dich?"

"Mein Name ist Sinus. Sinus Di Tempore."



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