Kleine Geschichte vom Zauberzylinder
Es war ein mal ein Zylinder. Kein besonders großer, und kein besonders kleiner - aber er war schwarz. Und darauf hielt er etwas, denn er begriff sich deswegen als klassische Schönheit. Ja, er besaß sogar einen kleinen schwarzen Federbusch, der ihm einmal von einem Mädchen angesteckt worden war. Ab und an wagte er es einmal, damit zu wackeln, wenn er sich besonders freute, und wenn niemand hinsah. Darauf musste er schon achten, denn was hätte es gegeben, wenn Menschen erfahren hätten, dass Hüte sich bewegen können.
Aber dass er sich bewegte, das geschah selten. Jahr und Tag verbrachte er auf einem Hutständer vor dem Ankleidespiegel seines Besitzers im Flur des großen Herrenhauses, und er hatte sich angewöhnt, immer argwöhnisch auf hütige Neuankömmlinge herabzublicken, die mit dem Besuch hereingetragen kamen und sich erdreisteten, neben ihn hingehängt zu werden. Er wollte auch getragen werden! Und eines Tages war ihm dieses unbenutzte Herumgehänge einfach zu viel - er ließ sich fallen, und in einem unbeobachteten Moment kullerte der Zylinder zur Tür hinaus.
Neu war die Außenwelt für ihn ja nun nicht, aber oh, was hatte er sich da denn für eine Jahreszeit ausgesucht! Kalt war es und klamm und brrr - und die Leute traten nach einem, weil sie es eilig hatten, nach Hause zu kommen! Es war zwar schön anzusehen, alles mit bunten Lichtern verziert und voller Musik und Tannenzweigen - aber wo der Zylinder auch hinhüpfte, nirgends beachtete man ihn. Alle redeten nur von Weihnachten. Ein paar Hunde packten ihn und beutelten ihn so arg, dass er um sein Hutleben fürchten musste. Doch schließlich ließen sie von ihm ab, und so landete der Zylinder, nicht lange dass er von zu Hause fort war, derangiert und deprimiert, in einem schneebedeckten Gebüsch im Stadtpark.
So hing er dann da und jammerte ungehört vor sich hin, und kleine zylindrische Tränchen flossen auf den eisigen Weg, der neben den Büschen entlangführte. Und schließlich warf er sich in seiner Verzweiflung mit letzter Kraft dem erstbesten Mantelträger auf den Kopf, der auf den gefrorenen Tränen ausgerutscht war. "Teufel aber auch!", fluchte jener vor sich hin, und als er sich wieder aufrappelte, fand er sich wohl behütet, und wunderte sich sehr.
Der Hinfaller war nämlich niemand anderes als der große Zauberer Gumbagubanga, dem vor Kurzem sein Kaninchenzauberhut abhanden gekommen war - er wusste es nicht, aber dieser war ihm weggelaufen, weil er die Hutschnur voll von Kaninchen gehabt hatte - und umso mehr freute dieser sich, dass er so einfach einen Neuen bekommen hatte! "Siehst ein bisschen mitgenommen aus", brummte er und klopfte dem Zylinder den Schnee ab, und ihm war, als echote der Hut "Mitgenommen!", was auch wirklich stimmte, aber nur schwer zu verstehen war, denn die Hutsprache ist kompliziert. "Na dann", sagte der Zauberer, "wenn du das willst?" und setzte sich den Zylinder wieder auf den Kopf.
Von da an war dem Zylinder nie wieder langweilig, er wurde getragen, aus ihm wurden Dinge gezaubert, und er verbarg so manches Küsschen vor der Öffentlichkeit. Manches mal fragte er sich, was wohl geworden wäre, wenn er nicht zur Tür hinausgerollt wäre - aber nie für lange.
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